Ein kleines Abenteuer - Mit 26 PS nach Korfu



Prolog

Nach einer spontanen Idee im letzten Winter einigten sich mehrere Mitglieder des Trabant-Club Mühlhausen e.V. darauf, mal wieder eine große Reise mit dem Trabant zu unternehmen. Bereits in den vergangenen Jahren wurden mit Fahrzeugen des Vereins sehr viele Länder bereist. So können die Mitglieder schon auf Trabant-Touren durch bzw. nach Rumänien, Bulgarien, Kroatien und Sizilien zurückblicken.


Neben den Planungen waren nun auch die letzten Vorbereitungen abgeschlossen, die Fahrzeuge abgeschmiert und gepackt, Ersatzteile zusammengesucht und samt Ersatzmotor in den Autos verstaut. Am 20. September 2004 ging es los. Christian Jenak (Vorsitzender des Vereins) und Ehrenmitglied Michael Marschall wollten am Vormittag die Fahrt zur griechischen Insel Korfu in Angriff nehmen. "Oma Helga", ein Fahrzeug, dass ein ehemaliges Vereinsmitglied dem Club buchstäblich vererbt hatte, würde dabei erstmalig "ausserhalb der DDR" zum Einsatz kommen. Zur Sicherheit wurde "Oma Helga" vom auslandserfahrenen KFZ "CJ1" eskortiert.

Die Übernachtungen während der mehrtägigen Fahrt wurden spontan entschieden. Dabei kamen die montierten Dachzelte zum Einsatz. Spätestens auf der Fähre nach Korfu waren die Trabis damit die absoluten Exoten. Natürlich wurden die beiden Trabis nicht nur nach Korfu gefahren um einen weiteren Punkt auf der Landkarte als "erledigt" abzuhaken. Neben der herzlichen Gastfreundschaft der Griechen dort, bietet die Insel eine Vielzahl von Sehenswürdigkeiten, eine abwechslungsreiche Geschichte, herrliche Strände ... eben alles, was man sich für einen schönen Urlaub wünscht. Als jahrelanger Korfu-Fan kennt sich Michael dort bestens aus und weiß, an welchen Stellen sich die Insel von ihrer besten Seite zeigt. Zudem waren im Internet unter www.corfu.de und www.kerkyra.de (letzterer Link ist inzwischen abgeschaltet) noch eine Vielzahl weiterer Anregungen zu finden, die es bei Gelegenheit vor Ort zu besuchen lohnt.

Christian wollte zudem seine "maritimen Fähigkeiten" erweitern und für einige Tage eine Tauchschule besuchen. Und unsere reizenden Begleiterinnen hatten jederzeit die Gelegenheit, an einem der schönsten Plätze der Erde den Putzlappen zu schwingen, uns ein Bier zu holen .... ups, ich geriet schon wieder ins Träumen. Es wurde Zeit dass es losgeht, ich war urlaubsreif! (Micha)

Kapitel 1

Der Aufbruch

Endlich war es soweit. Genauso bewölkt wie der Himmel schaute ich drein, als Ramona ihr Gepäck neben Oma Helga abstellte. Nun war es offensichtlich, dass wir nicht um neun Uhr zum gemeinsamen Frühstück im Club sind. Aber meine Laune besserte sich schlagartig, als ich feststellte, dass vermutlich selbst Ramonas gesamter Hausrat in den Untiefen eines Trabant-Kofferraumes bequem Platz gefunden hätte. Um elf Uhr trafen wir uns im Club. Das gemeinsame Frühstück war kurz, schmackhaft und geprägt von dem Ansinnen, endlich loszufahren. Augenblicke später dann die ersten - fast lästigen - Filmaufnahmen und dann ging es los. Mit Tempo 90 verließen wir auf der B 247 Mühlhausen und folgten der Beschilderung "Korfu".

Mein Herz blieb kurz stehen, als Oma Helga auf der B 4 kurz vor Erfurt einige Zündaussetzer präsentierte. Ein Problem, dass wir im Vorfeld nie richtig in den Griff bekommen hatten. Wenn das mal gut geht. Schon bei der ersten Pinkelpause kamen wir in den erlesenen Genuß, dank der Trabi´s mit mehr Aufmerksamkeit bedacht zu werden, als wenn wir in Tangas zu Sirtaki getanzt hätten. Speziell die frisch zubereitete Krümmersuppe erwärmte die Umstehenden zu neidischen Blicken, während sie mit Verachtung die von der lieben Gattin geschmierten Bemmen runterwürgten. Uns wurde es übrigens auch etwas wärmer, denn auf einem Autobahnrastplatz in der Nähe von Hof hatte sich Andrea - Lausi - zu uns gesellt. Nun waren wir zu viert, das Abenteuer konnte beginnen.

Die Dämmerung setzte gerade ein, als wir durch München fuhren. Als wir an einer Tankstelle kurz hielten, schien mir der passende Moment gekommen, Chris auf meine Kreuzschmerzen dezent hinzuweisen. Himmel Herrgott nochmal, der Bengel ist fast zehn Jahre jünger. Er konnte überhaupt nicht begreifen, was mir nach 500 km überhaupt weh tun könnte. Mit dem verständnissvollen Blick, wie man ihn nur von Altenpflegern kennt, denen in jahrelanger Berufstätigkeit schon so manches Elend vor die Augen getreten ist, schlug er Minuten später vor, heute doch nicht ganz bis nach Garmisch zu fahren. Der Himmel und ich, wir dankten ihm. In der Nähe von Bad Tölz schlugen wir nach 534 km an einem Waldrand unsere Dachzelte auf. Wir bewunderten im Übrigen die Bayern. Selbst abends um halb zehn Uhr fanden sich noch am Waldrand "Platzeinweiser", die einen die richtige Stelle zum wilden Campen weisen. Hut ab!

Die erste Nacht war recht kalt, keiner von uns mochte wirklich glauben, den ganzen Tag in Richtung Süden unterwegs gewesen zu sein. Am nächsten Morgen lichtete sich der Himmel. Nach einem gepflegten Frühstück in der Bäckerei "Brormöller" in Wolfratshausen machten wir uns mutig und entschlossen auf, wie weiland Hannibal statt mit Elefanten die Alpen mit zwei mal 26 PS zu überqueren. Gut gesagt. Kaum waren wir in Österreich, da reihten wir uns auch schon in einen Stau vor einer Baustellenampel. Zum ersten Mal keimte in mir die Sorge, die Fähre in Venedig zu verpassen. Diese Gedanken verloren sich aber, als wir auf dem Weg zum Timmelsjoch mit atemberaubenden Panoramen verwöhnt wurden. Zum erstenmal war ich r i c h t i g dankbar dafür, mit einem Trabant unterwegs zu sein. Statt mit 90 Stundenkilometern die Berge zu erklimmen, blieb genügend Zeit, die Aussicht zu genießen. Während wir im ersten Gang mit stellenweise 10 km/h Steigungen von 15 Prozent in Richtung Gipfel bezwingen, fiel uns immer öfter auf, dass uns von den Überholenden mehr Lob als Tadel für unsere "Bummelei" zuteil wird. Im Gegenteil, wir waren der Hingucker, Yeah!



Kurz nach zwei Uhr legten wir einige hundert Meter unter dem Gipfel in 2100 m eine Pause ein. Es war Zeit für lecker Grillkram aus Thüringen. Wir hatten ja eigentlich gedacht, hier in aller Ruhe dinieren zu können. Denkste! Bald jeder poplige Käfer, fast jedes Westblech und jeder Reisebus mit bayerischen Pauschaltouristen konnte es nicht lassen, uns anzuhupen. Es war ein klasse Anblick, als Chris versuchte, nach einer spontanen Winkeinlage sein Steak durch einige artistische Kunstkniffe auf dem Pappteller zu halten. Gegen vier Uhr ging es endlich weiter. Innerhalb von wenigen Minuten erklommen wir die restlichen vierhundert Höhenmeter und fuhren durch eine Landschaft, die uns nicht zuletzt wegen der fehlenden Vegetation mächtig beeindruckte.

Knapp zwanzig Touristen schienen fast aus den Fenstern des Rasthauses "Timmelsjoch" zu fallen, als unsere Trabanten auf dem Parkplatz Stellung bezogen. All zu viele Trabis waren hier wohl noch nicht vorbei gekommen. Es war kalt, aber uns trennten auch nur noch wenige Meter von Italien. Nach einer Tasse Kaffee wagten wir die Abfahrt. Ups, nach dem langen Anstieg ging es überraschend zügig voran. Die Trommelbremsen gaben zum einen ihr Bestes und zum anderen mir das Gefühl, der Situation auf Dauer nicht ganz gewachsen zu sein. Oma Helga fühlte sich dagegen sichtlich wohl. Wie ein Blitz raste sie um Felsvorsprünge herum und klebte in den Kurven mit ihren Pneumant - Reifen perfekt auf dem löchrigem Asphalt. Obwohl die Heizung seit es bergab ging, nur befriedigende Leistungen erbrachte, perlte mir der Schweiß von der Stirn. Endlich fuhr Chris rechts ran. Es war höchste Zeit, den Bremsen ein wenig Zeit zum Abkühlen zu gönnen. Da wir aber wie die Schneider froren, hielten wir uns nicht lange auf. Ein böser Fehler.



Kapitel 2

Richtung Venedig


Schneller als ein Trabant mir lieb ist rauschten wir durch die Berge hinab. Bäume und Eichhörnchen huschten vorbei und dann merkte ich es: Oma Helga bremste nicht mehr so, wie ich es mag. Sekunden später verließ ich in einer Kehre die Piste. Es krachte gewaltig, als Oma Helga vollgepackt und mit einem Dachzelt obendrauf durch einen kleinen Straßengraben rauschte. Wir standen, Glück gehabt. Ein blauer Dunst stieg aus der Motorhaube, am Geruch hätte auch ein Laie - wie ich nun mal einer bin - erkannt, dass die Bremsbeläge nicht all zu fern vom Schmelzpunkt waren. Chris war verschwunden. Nicht wissend, dass ihn Augenblicke später an anderer Stelle das selbe Schicksal ereilte, begleitete ich ihn in Gedanken beim Tiefflug durch das Tiroler Bergland. Nach dreißig Minuten drehte ich eine weitere von vielen Runde um das Auto. Ich konnte es nicht fassen, als ich sah, dass sich meine vorderen Plaste-Radkappen dank des einsetzenden Schmelzprozesses von ihrem angestammten Platz an der Radnabe stur in Richtung Waldboden bewegten. Na toll, die Ecken der hinteren Stoßstange hatte ich schon in Deutschland verloren, die Radkappen hier - mal schauen, was ich noch so alles entbehren könnte. Durch sachtes Handauflegen auf die Felgen der Vorderräder erfuhr ich, dass ich wieder bedenkenlos fahren und auch bremsen konnte. Einige Kehren abwärts stand Chris am Strassenrand, auch sein gletscherblauer CJ1 war inzwischen wieder fahr- und bremsbereit. Beim folgenden Tankstop änderten wir die geplante Route. Es war inzwischen fast sechs Uhr am Abend, wir hatten kaum zweihundert Kilometer geschafft und bis morgen Mittag um zwölf mussten wir am Check-In Schalter am Hafen in Venedig stehen. Per Landstrasse ging es über Bolzano und Trento nach Arsie.

Gegen zehn Uhr erreichten wir bei Reisekilometer 962 einen Zeltplatz, schlugen die Zelte auf und genossen die Duschen und die Krümmersuppen. Mein Kreuz hatte sich wieder erholt und daher war die Übernachtung in der "Pension Sachsenruh" dieses Mal mehr als willkommen. An so ein Dachzelt kann man sich schnell gewöhnen. Flugs noch den Wecker gestellt, sieben Uhr müßte reichen, bis Venedig waren es nur noch knapp 100 km. Sind wir hier wirklich in Italien? Es war kalt und neblig, als ich kurz nach sieben Uhr aus dem Zelt kletterte. Die anderen schliefen noch. Keine dumme Idee wie mir schien, als ich feststellte, dass ein lecker Frühstück mit frischem Kaffee auf dem Zeltplatz sowieso erst um halb neun möglich war. Gracias. Wie im Himmel sollte auch ein italienischer Zeltplatwart auf den Gedanken kommen, dass ich mich in Zeitdruck wähnte. Bis Venedig waren es zwar nur noch knapp hundert Kilometer, aber langsam schwand auch die Zeit für eventuelle Pannen mit den Autos. Mit jedem Blick, den ich Oma Helga widmete, entschwandt mir ein Stoßgebet in Richtung Himmel.

Es wurde Zeit, den Rest unserer Truppe aus dem Zelt zu jagen. Ohne die anderen Zeltplatzbesuchern gebührende Rücksicht entglitt mir mehrmals Oma Helga`s Fahrertür aus der Hand und fiel dementsprechend lautstark ins Schloß. Klar, das dass geholfen hatte. Punkt halb neun saßen wir beim Frühstück und traten eine halbe Stunde später die Weiterfahrt nach Venedig an. Wir kamen zügig voran, obwohl wir die Autobahn mieden. Dennoch machte sich in meinem Inneren eine ausgewachsene Panik breit. Jedes Geräusch, das Oma Helga von sich gab, jede Vibration, die ich am Lenkrad spürte, wurde von mir als Vorzeichen einer eventuellen Panne - eines "zu spät kommens" interpretiert. Zwei Stunden vor der Abfahrt der Fähre - um zwölf Uhr schloß der Schalter für den Check-In. Wären wir bis dahin nicht da gewesen, wäre die Fähre ohne uns gefahren. Verdammt nochmal dachte ich, wären wir doch bloß letzte Nacht durchgefahren. Um halb zehn fuhren wir durch Padova. Gut, jetzt waren es noch 50 km bis zum Hafen. Also weiter in diesem Tempo. Beide Trabis liefen wie ein schweizer Uhrwerk. Zehn vor halb elf erreichten wir Venedig. Wo ging es jetzt zum Hafen? Bisher hatte ich mich jedes Jahr in Venedig verfahren. Musste ich Richtung "Porto" oder "Interportpo" abbiegen? Ich entschloss mich spontan für ersteres und Chris folgte mir. Zehn Minuten später standen zwei Trabant in Venedig in einem Stau!

Um halb zwölf lagen meine Nerven blank. Wir waren kaum weitergekommen und bei dem Gedanken, dass ich mich immer noch verfahren könnte, wenn der Stau sich irgendwann einmal auflösen würde, wurde mir speiübel. Lausi ging es nicht viel besser. Meter für Meter ging es im Stopp and Go Rhythmus auf eine Kreuzung zu ... und plötzlich löste sich der Stau sprichwörtlich fünf vor zwölf auf. Rüber gings über die große Brücke, rechts abgebogen in den Hafen, nebenbei die Ausweise aus dem Fenster gehalten, auf dem Sammelplatz neben dem Schiff angehalten, ausgesteigen und mit Chris zum Schalter gerannt ... Mein Chef wünscht sich vermutlich, ich würde meiner Arbeit so zügig nachkommen! Es war fünf nach zwölf, als wir am Check-In ankamen. Reichlich ausser Puste schoben wir die Tickets rüber. Augenblicke später hielten wir die Bordkarten in der Hand und waren sichtlich erleichtert. Wir hatten es geschafft! Minuten später rollten zwei Trabis die Rampe zum Camping-Deck der "Ikarus Palace" hinauf.

3. Kapitel

Ikarus Palace


"Endlich geht es nach Hause, lange genug bin ich unterwegs gewesen. Noch knapp zwei Tage auf der Fähre, dann in gut vier Stunden quer durch die Peleponnes, schnell entladen und dann heim." Dimitri hatte es sich grad` in der Kabine "seines" Scanias bequem gemacht, als er seinen Augen nicht recht traute. Er war vor gut zwanzig Jahren als Fernfahrer häufig in der Gegend um Leipzig, er kannte diese ... wie hießen die doch gleich - Trabant, Trabis ... ???? Er hätte es aber nicht für möglich gehalten, sie an Bord einer griechischen Fähre vor seiner Frontscheibe einparken zu sehen! Seine Neugierde stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben, als er aus seinem Fahrerhaus ausstieg und auf uns zukam. "Antique, Hä?" East German Cars ...? Is this possible??"



Jetzt wurde es richtig lustig. Wer auch immer vom Fährpersonal ein wenig Zeit hatte, kam zu den Autos. Erst recht, als wir wenig später die Dachzelte aufschlugen. Damit waren wir die absoluten Exoten. Egal was neben uns stand, ob "Hymer- Mobil" oder ein VW T3-Bus in Westfalia-Ausführung, die "Pension Sachsenruh" konnte niemand toppen. Ein wenig pekiert schaute ich aber drein, als der Sachsenring auf der Motorhaube mit dem Opel-Blitz verwechselt wurde. Dieses Schei... ungarische Billigteil, das ich mir da drauf gepappt hatte!

Es war an der Zeit, die Fähre zu erkunden und die Ausfahrt aus Venedig an Deck zu erleben. Im Schritttempo glitt die 200 m lange Fähre durch den Canale Grande. Genug Zeit für eine Menge Fotos. Aber auch an Bord gab es eine Menge zu sehen. Für die 24-stündige Passage nach Korfu fanden wir mehr, als wir brauchten: Ein Restaurant "a la Carte" und ein "Self Service Restaurant", eine Ladenpassage, etliche Bars, eine Disco, ein Pooldeck, Internet und überraschend saubere Duschen und Toiletten. Der Urlaub konnte beginnen. Abends, auf dem Camping-Deck, war Dimitri noch für eine Überraschung gut. Als wir auf ein Bierchen bei den Autos saßen, gesellte er sich mit Ouzo, Brot, Tomaten und Mozarella zu uns. Spätestens jetzt brauchte ich es den Anderen nicht mehr erklären, warum ich die Griechen derart mag. Es war ein herrlicher Abend, Dimitri trug seinen Teil dazu bei, uns auf Korfu einzustimmen.



Kapitel 4

Korfu


Im Sommer 2002 war ich zum letzten Mal hier. Es war höchste Zeit, wieder mal her zu kommen. Und dieses Mal mit zwei Trabant, das konnte nur ein toller Urlaub werden. Als wir aus der Fähre rollten, glaubten einige deutsche Touristen ihren Augen nicht trauen zu können. Während wir mit ihnen ins Gespräch kamen, war die "Ikarus Palace" schon wieder in Begriff abzulegen. Ein gemütliches Fotoshooting mit den Trabis am Kai vor dem Schiff war nicht möglich. Hektik prägte unsere ersten Fotos auf der Insel. Dann ging es los in Richtung Agios Spridon. In den letzten zwei Tagen hatte ich Chris des öfteren mit meinem Angst vor einem leeren Tank genervt. Kaum waren wir 150 km unterwegs, zog es mich jedesmal fast magisch magisch an eine Zapfsäule. Der Reservestellung des Benzinhahns misstraute ich seit einer Fahrt mit Oma Helga im Frühjahr. Jetzt standen schon 200 km auf dem Zähler, aber ich hatte kein gutes Gefühl dabei, Chris gleich an die erst beste Tankstelle zu lotsen. Das gäb wahrscheinlich bloß Mecker. Die Tanke in Dassia ? - wir waren gerade mal eine viertel Stunde unterwegs. Die dritte? Nein, ich nehm die nächste. Ups, die ist geschlossen. Naja, bis Kassiopi kämen wir wahrscheinlich, ... ähem sicher.

Wir genossen die herrliche Landschaft, während wir die Küstenstrasse von Korfu- Stadt in Richtung Norden entlang fuhren. Ab jetzt fuhr Oma Helga vorneweg. In der Gegend um Kremithas kam uns ein Reisebus aus der Heimat Thüringen entgegen. Klasse. Er hupte und wir blinkten mit den Scheinwerfern. Immer wieder schaute ich in den Rückspiegel - mit einem Mal war Chris verschwunden. Zehn Minuten später war er wieder bei uns. Ich grinste, als er mir erzählte, dass sein CJ1 trocken war. Zum Glück hatte C h r i s einen Reservekanister dabei. Und ihn komplett bei seinem Auto verbraucht. Himmel, das Tanken hatte ich glatt vergessen. Haube und Tank auf, Tankmeßstab rein... anderthalb Liter hab` ich noch. Jetzt hieß es für mich gaaaanz piano zu fahren. In Kassiopi gab es die nächste Tankstelle. Viel weiter weg hätte sie auch nicht sein dürfen.

Bis nach Agios Spiridon, unserem Domizil war es nicht mehr weit. Kaum waren wir angekommen, zog es uns ersteinmal zu Spiros in die "Olive Press". Dort hofften wir auf ein wunderbares Essen und ich auf Spiros und Erika. Spiros fand ich hinten in der Küche, aber Erika war zu Haus in Deutschland. Schade. Die zwei Trabis standen neben der "Olive Press", direkt vor zwei richtigen Oldtimern: einem knapp dreissig Jahre alten Peugeot und einem kaum jüngeren Ascona. Und als Spiros dann den Sachsenring sah ... "Ah, I know, ... I have the same car, it`s my old Opel!". Sprachs und grinste dabei von einem Ohr zum anderen. Ich resignierte mit einem Schulterzucken und schlürfte zurück zum Tisch, an dem Spiros kurze Zeit später Bourdetto servierte. Köstlich.

Endlich hatten wir die Schlüssel für die Villa Kosta, unserer Bleibe auf Korfu. Das Wetter war ideal zum Baden, also ging es gleich nach dem Auspacken an den Strand. Der hatte sich in den letzten zwei Jahren seit einem Hotelneubau von "First Choise", einer britischen Hotelgruppe, gewaltig verändert. Für mich als einem Stammtouristen eher zum Nachteil. Die anderen fanden dagegen einen Strand vor, der alle Strapazen der Anreise mit einem Mal vergessen ließ. Also rein ins herrlich warme Wasser. Anschließend schaute ich mal bei Ioakim in seiner neuen Bar direkt am Strand rein. Wir kennen uns schon seit mehr als zehn Jahren, aus seinem Restaurant "Molos" ist in den letzten zwei Jahren die "Molos-Bar" geworden. Auf einem riesigen Plasma-Bildschrim läuft entweder die englische Liga sich die Hacken wund, oder es sind die Oldies des Classic-Channels von VH-1 zu sehen. Perfekt für jeden englischen Pauschal-Touristen des Hotels von nebenan. "It`s a diffrent buisness ..." meint Ioakim. "Yes. Really!" sagte ich und dachte, daß das was ich sah, mehr als erschreckend war.

Als die Sonne am nächsten Morgen über Agios Spiridon aufging, drehten wir uns noch mehr als einmal in unseren Betten rum. Erst am Nachmittag zog es uns nach Kassiopi. Wir trafen uns dort mit Bekannten aus Deutschland, die etwas südlich von Korfu-Stadt in einem Hotel ihren Urlaub verbrachten. Für die letzten Tage hatten sie sich ein Auto gemietet und auf einer ihrer Touren hatte es sie in den Norden der Insel verschlagen. Zusammen fuhren wir nach Ano-Perithia, die Trabis vorneweg. Der Ort ist von den Einwohnern im letzten Jahrhundert nach und nach verlassen und sich selbst überlassen worden. Und während die Einwohner sich etwas näher an der Küste in `Neo`-Perithia ansiedelten, ergriff nach und nach die Natur wieder Besitz von Ano-Perithia. Das Grün überwuchert die alten und verlassenen Häuser. Bäume schlagen ihre Wurzeln inmitten von Häusern, und Dächer und Dielen brechen wenn der Zahn der Zeit nur genügend an ihnen genagt hat. Zu guter Letzt hatte sich bis vor wenigen Jahren nur noch eine Taverne am Leben gehalten. Die Inhaber lebten von den wenigen Touristen, die den Gipfel des Pantokrator von Norden her zu Fuß erklimmen wollten. Der Rest des Dorfes war ausgestorben. Vor gut zehn Jahren entdeckten dann ausländische Immobilienmakler diesen herrlichen Flecken Erde und vermarkteten ihn. Inzwischen sieht man hier und da wieder renovierte Häuser - zum Glück scheinen die denkmalpflegerischen Auflagen aber sehr hoch zu liegen - und kann in drei Tavernen ein einzigartiges Flair geniessen.



Am Samstagmorgen machten sich Chris und Andrea gegen halb zehn zu ihrem ersten Tauchgang auf. In Acharavie, gegenüber einem Supermarkt betreibt Antonio während der Saison eine Tauchschule. Bei ihm hatten Chris und Andrea sich am Abend vorher angemeldet. Während Chris schon im letzten Jahr einen Tauchschein bei seiner Trabi-Tour nach Sizilien gemacht hatte, stand Andrea der erste Tauchgang bevor.

Den Ausflug nach Alt-Perithia hatte Oma Helga gestern nicht unbeschadet überstanden. Eine Mutter, die gewöhnlicherweise den Vorschalldämpfer zur Zweckgemeinschaft mit dem Krümmer zwingt, hatte auf dem Weg zum Dorf ihr Bedürfnis nach Autonomie durchgesetzt und bot mir daher Gelegenheit bei Ioakim nach dem, wie ich Ramona glaubhaft versicherte `wichtigen` Ersatzteil zu schauen. Gut, so eine Mutter hatten wir schnell gefunden, fast genauso schnell montiert und den Rest der Zeit habe ich mich einer naturverbundenen Ernährung gewidmet: Hopfen, Malz, Gerste und Wasser, zusammengebraut von Amstel. Zusammen mit Pilavas-Ouzo hatte ich einen recht netten Vormittag bei Ioakim! Nachmittags, nach einer Siesta und ein, zwei Kaffee zeigte ich Ramona den Norden der Insel im Schnelldurchgang: Über Troumpeta ging`s zum Angelo Kastro, nach Paleokastritias und Korfu-Stadt.

Für den Abend hatte ich mir überlegt, nach Kassiopi zu fahren und in Kosta`s Bar reinzuschauen. Ich bin gewöhnlicherweise kein Fan von den typischen Touristendörfern, in denen ein Souvenierladen neben dem anderen steht und eine Disco die nächste Bar an Lautstärke zu überbieten sucht. Kostas Bar passt eigentlich vollkommen in dieses Klischee - bis auf eine angenehme Ausnahme: Jeden Abend in der Saison finden dort von zehn bis elf Uhr Sirtaki-Tänze statt. Kostas, seine Familie und sein Personal gelingt es immer wieder für eine unverwechselbare Atmosphäre zu sorgen. Seit Jahren komme ich immer wieder gerne für diese eine Stunde in diese Bar und ich konnte es bei Ramona, Lausi und Chris sehen: Es gefiel ihnen genauso wie mir.



Die Regenzeit

Es ist nicht ungewöhnlich, dass es im September mal hin und wieder auf Korfu einen Regenschauer gibt. Der kann auch mal etwas kräftiger ausfallen. Bei meinem letzten Korfu-Urlaub vor zwei Jahren erlebte ich eine wahre Sintflut, die, so versicherten es mir die Einheimischen, so auch nur einmal im Leben zu erleben ist. Mag sein, dass die Griechen sowas gerne den Touristen erzählen, aber den einen oder anderen kenne ich schon seit einigen Jahren... Dieses Jahr erlebte ich aber den üblichen, den frustierenden, den Dauerregen. Himmel, wie der nerven kann. Aufstehen und Frühstücken im Regen. Chris sein Tauchausflug fiel buchstäblich ins Wasser. Siesta und Aufstehen ... im Regen. Der Spaziergang durch Agios Spiridon, der Besuch im I-Net Kaffee am Abend im leichten Gewitter. Nun war das Gewitter über See schön anzuschauen. Aber als meine mühsam getippte Mail im Nirvana der Daten verschwand, weil ein Blitzschlag die Stromversorgung für entscheidende Augenblicke lahmlegte ... nun ja, mit einem Ouzo gewann ich schnell meine Zuversicht auf baldiges Gelingen und meine innere Gelassenheit zurück. Ein zweiter Ouzo half mir Stunden später beim Einschlafen, während ein leichter Dauerregen mit bewundernswerter Ausdauer auf die Terasse plätscherte.

Eine neuer Tag, eine neue Woche aber dasselbe Wetter. Auch der Montagmorgen empfing uns mit Regen. Um nicht komplett in Lethargie zu verfallen empfahl ich heute eine Rundfahrt mit den Trabis. Der Gedanke, dass ich langsam aber sicher etwas Filmmaterial für die DVD über die Tour brauchte, nun den Gedanken erwähnte ich erstmal nicht. Vormittags brachen wir auf. Chris fuhr wieder zum Tauchen, Lausi und Ramona begleiteten mich in Oma Helga. Es ging zuerst nach Acharavie, dann nach Roda und dann ab in die Berge. Am Abzweig Nimfes und Episkopi war der Himmel noch immer wolkenverhangen, in Choroeskopie konnten wir schon Wolkenlücken erkennen und ab Troumpeta begleitete uns der Sonnenschein. In Markades ging es zügig durch, ehe uns die Händler am Strassenrand mit Tischtüchern und Olivenöl und -holz überfallen konnten. Am Fuße des Angelo Kastro legten wir eine kurze Pause ein. Eigentlich wollten wir ja zum Kastro aufsteigen, aber irgendwie war mit entfallen, dass Montags geschlossen ist.



Dafür bereiteten uns einige deutsche Touristen Spass, die von dem Trabi begeistert waren, nur weil sie ihn auf Korfu sehen. Nachdem wir ihnen glaubhaft unter Vorlage der Fährtickets versichert hatten, dass das Fahrzeug nicht per Luftfracht eingeflogen wurde, wurde uns beschieden, dass `Trabantfahrer die Härtesten sind`. Wer es glauben mag, soll es tun. Allen Anderen sei versichert, dass ich mich über dieses Kompliment wie ein Schnitzel gefreut hatte, es auf der Heimtour aber gerne gegen meine Schmerzen im rechten Knie eingetauscht hätte. Aber dazu später. Gegen abend trafen wir uns wieder mit Chris in der Villa Kosta. Da es gerade nicht regnete schlugen wir die Dachzelte zum Trocknen auf. Wegen der Zeltplanen machten wir uns keine Sorgen, aber die Matratzen und Schlafsäcke hingen wir doch lieber in den Appartements auf.

Am nächsten Morgen regnete es schon wieder, mit meiner Verzweiflung über das Wetter war ich nicht alleine. Die Dachzelte wurden nicht trocken, wenigstens die Matratzen hatten wir raus genommen und als sie trocken waren unter die Betten geschoben. Als ich dabei neun Paar(!) Schuhe von Ramona entdeckte, konnte ich meine Fassungslosigkeit nur mit Kopfschütteln zum Ausdruck bringen. Chris war wieder tauchen, viel zu sehen gab es aber nicht. Am Nachmittag entschlossen sich Lausi und Ramona uns was Leckeres zu kochen. Chris und ich nutzen die Gelegenheit um bei Ioakim einzukehren und über Frauen, ihre Vorliebe für Schuhe und Handtaschen und andere Probleme auf dieser Welt zu reden.

Urlaubswetter

Es regenete noch, als ich Chris gegen neun zur Tauchschule in Acharavie brachte. Auch die Brötchen holte ich noch im Regen bei Uwe und Veronika. Beide betreiben eine kleine Bäckerei am Ortsausgang von Acharavie in Richtung Roda und sind inzwischen - nicht nur wegen der Brötchen, sondern auch wegen der leckeren Torten und der herzlichen Bedienung - mehr als ein Geheimtipp für Korfu-Urlauber. Ein wenig später zogen sich beim Frühstueck die Regenwolken zurück und präsentierten heiteres Wetter zu sommerlichen Temperaturen. Das war die Gelegenheit, um mit Oma Helga den höchsten Punkt auf der Insel anzusteuern. Gegen halb zwölf brachen wir in Richtung des Gipfels des Pantokrators auf. Ohne Bilder lässt sich das jetzt nur schwer beschreiben, wir fuhren auf den engsten Strassen durch die urigsten Dörfer und kamen etwa 40 Minuten später am Fuß des Berges an. Lausi hatte etwas (deutlich) mehr Trabant-Erfahrung als ich. Als ich den Weg nach oben sah, fragte ich sie ersteinmal, ob man diese Steigungen Oma Helga zumuten kann. Ein entschlossenes "Ja" und los ging`s. Oma Helga tat ihr Bestes und unter den ungläubigen Blicken von einigen deutschen Touristen zog sie uns drei souverän auf den Berg. Ich küsste den Sachsenring auf der Motorhaube. Vom Kloster auf dem Pantokrator hat man einen phantastischen Blick auf den Norden der Insel und - weil die Sicht klar war, weit bis in das albanische Inland hinein. Wegen meiner Erfahrungen bei den Passabfahrten in den Alpen machte ich mir einige Sorgen um die Bremsen. Vollkommen umsonst! Genauso sicher wie Oma Helga uns rauf gebracht hatte, ging es wieder runter. Gegen drei Uhr konnten wir Chris wieder in Acharavie abhohlen. Er war vom Tauchen an einem Steilhang vor Kassiopie begeistert. "Wow," meinte er, "dort sind wir bis auf 21 Meter runter." Wie albern, wir waren mit Oma Helga auf 906 Meter Höhe. Nach einem leckeren Essen und einer Siesta ging es am Abend nach Korfu-Stadt. Die Stadt ist abends, wenn die Touristen-Shops langsam schließen unbedingt einen Besuch wert. Einfach nur die Esplanade entlang schlendern oder im Touri-Outfit durch die engen Gassen tappen und im Internet-Cafe hängen bleiben. Einfach herrlich.



Der nächste Tag war für uns alle ein wenig stressig. Für die DVD brauchte ich jetzt einiges an Filmmaterial. Die Aufnahmen aus dem Auto heraus waren noch ohne Weiteres zu bewerkstelligen. Aber wenn ich Bilder von beiden Trabis brauchte, bedeutete es für die Damen des öfteren, dass sie an einer schönen Stelle am Strassenrand ausgesetzt wurden um die Fahrzeuge im Vorbeifahren zu filmen. Oder die Kamera ganz ruhig zu halten, bis die Trabis am Horizont verschwunden waren. Naja, hin und wieder entschied ich mich nach dem Sichten zu einer zweiten Aufnahme... das kratzte an den Nerven. Die Aussichten aber, die Korfu bietet, entschädigten aber für den Stress. Unterwegs, bei Roberto an der Tankstelle in Roda entdeckte Chris noch verbleiten Sprit. Das mag zwar nicht im Sinne der Umwelt sein, aber es ist nun mal der Treibstoff, für den die Trabant-Triebwerke gebaut wurden. Also wurde ganz schnell der Tankmessstab gezückt, nachgerechnet, Öl eingefüllt und der verbleite Sprit getankt. Ich bin mir heute noch sicher, dass Oma Helga mit dem Sprit einen Tick besser lief ...

Schon vor einigen Tagen hatte Chris seinen Tauchlehrer Antonio darauf vorbereitet, dass er während eines Tauchausfluges von mir mit der Kamera begleitet wird. Bei herrlichstem Wetter machten wir uns nach Acharavie zur Tauchschule auf. Norman und Claudia begleiteten uns neben Antonios Frau auf der Tour. Im Hafen von Kassiopi erklärte Antonio Norman und Claudia die wesentlichsten Sachen, während seine Frau und Chris das Boot beluden. Wenig später gings Richtung Süden die Ost-Küste entlang. In einer kleinen Bucht unterhalb der Meerenge von Albanien und Korfu bei Agios Stefanos gingen wir vor Anker. Als alle von Bord waren gönnte auch ich mir ein Bad im Meer. Allzuoft hatte ich ja wegen des Wetters der letzten Tage noch keine Gelegenheit dazu. Ich schaffte es gerade noch rechtzeitig aus dem Wasser zu kommen und die Kamera in der Hand zu halten, als die Anderen wieder auftauchten. Heimwärts zeigte uns Antonio noch einige Stellen, die mir bisher verborgen geblieben waren. So unter anderem eine kleine Kapelle, die offensichtlich nur von der See aus zu erreichen war.


Das tolle Wetter der nächsten Tage galt es für uns am Strand zu nutzen. Nur für die Filmaufnahmen jagten wir die Trabis nocheinmal auf den Pantokrator. Es war wieder wegen der Fahrzeuge ein Erlebnis. Für den einen oder anderen Touristen war es doch kaum vorstellbar, dass ein Trabant mit einem Dachzelt obendrauf den Pantokrator erklimmt, obwohl derjenige vor 15 Jahren noch dem Fahrzeug eine Fahrt ins Riesengebirge mit einem Wartungstag vorneweg aber ansonsten ohne zu Zögern zugemutet hätte. Die Abende verbrachten wir entweder in einer Bar unterwegs oder in der Villa Kosta. Spiros hatte uns einmal auf dem Markt in Korfu-Stadt frische Fische besorgt, die er uns als Brassen vorstellte und die wir sorgsam beträufelt von seiner Spezial-Gewürzmischung auf dem Grill zubereiteten. Für Chris und mich bleiben diese Augenblicke unvergesslich, als die Damen einfach nur den Mund hielten, weil ... es ihnen so gut schmeckte! Danke Spiros.


Kapitel 5

Es geht nach Hause


Am Dienstag, den 5. Oktober traten wir die letzte Etappe der Reise an: die Heimfahrt. Schon am Abend zuvor waren die Taschen gepackt worden. Zuvor hatten wir bei Spiros, Ioakim und Spiridula Tschüss gesagt. Jetzt ging es an das Beladen der Autos. Der Ouzo und die sonstigen Mitbringsel fanden nur schwerlich einen Platz in den Kofferräumen. Und ebenso schwerlich machten wir uns auf den Weg zum Hafen. Nicht nur der Abschied betrübte uns, es machte mir auch Sorgen, was ich von Oma Helga in der Gegend von Kavalouri zu hören bekam. Das klang verdammt danach, dass sie nur auf einem Zylinder lief und das war deutlich zuwenig für den Heimweg. An der nächsten Tanke nahm sich Chris ihrer an und nach einem Kerzenwechsel ging`s zügig aber mit einem flauen Gefühl im Magen meinerseits weiter zum Hafen. Kaum waren wir dort angekommen, rannten Chris und ich wieder mal zum Chek-In, weil wir keine Ahnung hatten, dass stündlich eine Fähre nach Igoumenitsa fährt.

Wir landeten auf der `Dmitros` einem Schiff, dass uns einem Seelenverkäufer nicht unähnlich schien, uns aber innerhalb von zwei Stunden nach Igoumenitsa brachte. Die Fahrt ging vorbei an der alten Festung, wir sahen von See aus die Stelle, an der wir wenige Tage zuvor nach dem Shoppen noch einen Frapee tranken ... Korfu machte uns den Abschied nicht leicht. Gegen fünf Uhr kamen wir im Hafen von Igoumenitsa an. Da keiner von uns auf eine Wiederholung der Hektik im Hafen von Venedig aus war, bewegten wir uns nicht allzuweit vom Hafen weg. Ein schneller Imbiss, ein Besuch in einem nahem I-Net Kaffee und in einem Supermarkt, ein kurzer Tankstopp, das war auch schon alles, was wir in Igoumenitsa erlebten. Gegen Abend fuhren wir in den internationalen Hafen. Ein Ehepaar aus Sachsen nervte uns bei der Ankunft mit dem Holzmichl. Gut, sie waren um die Fünfzig, das entschuldigt für einiges. Kaum hatten wir aber unseren Stellplatz für die Fähre nach Ancona gefunden, trauten wir unseren Augen nicht. Dort stand doch tatsächlich ein Trailer mit einem `W 353 trans`, den ein Deutscher aus Sachsen-Anhalt gut drei Wochen zuvor in Agios Georgios/Korfu entdeckt hatte. Er einigte sich mit dem Eigentümer, mit dem Behörden daheim und war zurückgekehrt, um das gute Stück huckepack wieder heimzuholen. Es dauerte nur Augenblicke, bis wir mit ihm warm geworden waren.

Gegen zehn machte die `Ikarus Pasiphae` im Hafen fest. Die Hektik des Einschiffens brachte mich weniger aus der Ruhe, wie der Gedanke, dass Oma Helga genau auf der Rampe zum Deck wieder die Kraft eines Zylinders als entbehrlich erachten würde. Zum Glück hielt sie durch. Die Aufmerksamkeit von etlichen Touristen am Geländer des Camping-Decks und zuvor an der Reeling entschädigten mich für meine blank liegenden Nerven. Den Spaziergang über die Decks unternahmen Chris und ich ohne die Damen. Ehe irgendwelche Vermutungen aufkommen, die Übernachtung erfolgte in den Dachzelten. Bei den jeweiligen Damen. Die Überfahrt nach Ancona dauert heute lange keine 24 Stunden mehr. Gegen zehn Uhr am nächsten Morgen informierten uns die Lautsprecher an Bord, dass das Self-Service Restourant 15 Minuten später schliessen würde und die Ankunft in Ancona für den Mittag geplant sei. Die Nachbarn von uns konnten jetzt in etwa erleben, wie sich ein hektisches Munterwerden und Aufstehen in einem Dachzelt gestaltet. Aber auf einem Kaffee am Morgen wollten weder Ramona noch ich verzichten! Wir frühstückten in aller Ruhe und keiner von uns dachte auch nur im Entferntesten daran, was Oma Helga noch für eine Überraschung parat hatte.

Lausi empfahl...

Gut ausgeruht und in bester Laune kamen wir mit der Fähre in Ancona an. Der Zoll ignorierte uns dankenswerter Weise und auch der Stopp-and-Go-Verkehr machte Spaß, weil die Autos im Vorbeifahren bestaunt und uns mit erhobenen Daumen Lob zuteil wurde. Der Stau löste sich bald auf und mit Schwung ging es den Hügel zum Autobahnzubringer hinauf. Rumms! Oma Helga schüttelte Ramona und mich einmal kräftig durch, machtlos trat ich das Gaspedal voll durch. Es half nichts, sie erholte sich nicht mehr. Auf nur noch einem Zylinder laufend schleppte Oma Helga uns an den Strassenrand. Also raus aus dem Auto, Warnweste an und das Dreieck aufgestellt. Ich schaltete mein Handy ein und ehe der Akku seinen Geist aufgab erreichte ich endlich Chris. Bis er zurück war schaffte ich es, das Auto auf ein Tankstellengelände auf der anderen Strassenseite zu schieben.

Es war gegen drei Uhr am Nachmittag, die Sonne knallte uns auf den Pelz als Chris begann, den Fehler zu suchen. Kein Zündfunke am zweiten Zylinder, also wurden die Kerzen gewechselt. Dann das Zündkabel und etwas später die Zündspule. Oma Helga sprang irgendwann wieder an, aber sie klang krank, sie quälte sich während Chris sie im Kreis um die Zapfsäulen fuhr, um der Batterie etwas Ladestrom zu gönnen. Die dauernden Startversuche forderten ihren Tribut. Inzwischen war über eine Stunde vergangen. Ramona saß mit regungslosen Blick auf einer Rasenkannte und ich suchte das Ersatz-Steuerteil. Lausi empfahl zum erstenmal, den Motor zu wechseln.

Darauf gingen wir noch nicht ein. Die Zündung war noch nicht restlos als Fehlerquelle ausgeschlossen und um die Spritzufuhr hatten wir uns noch gar nicht gekümmert. Minuten später war das Steuerteil gewechselt, aber der Startversuch scheiterte an der Batterie, die inzwischen an ihre Grenzen gestoßen war. Wenige Meter von uns sicherten zwei Carabineri eine Baustelle und beobachteten uns beim Anschieben von Oma Helga. Ein letztes Mal sprang sie noch an. Dann war endgültig Schluß. Ich hatte größtenteils keine Ahnung, wo und an was Chris rumschraubte. Aber ich war unbekümmert, solange er beim Schrauben eine gewisse Zuversicht ausstrahlte. Die schwand jetzt langsam aber sicher. Wir hatten zwei erstklassige Zündfunken, Sprit schien auch da, wieso ging jetzt gar nichts mehr? Lausi empfahl noch einmal, den Motor zu ... .

"Michael, schraub doch schon mal den Vergaser am Ersatz-Motor ab." sagte Chris, während er unter dem Auto lag und die Geberplatte wechselte. Inzwischen standen wir gut drei Stunden hier und der Tankstellenpächter schien einigen Kunden immer wieder die gleiche Geschichte zu erzählen. Oma Helga erzählte uns dagegen gar nichts mehr. Sie hatte Sprit, die Zündung funktionierte einwandfrei und trotzdem blieb der Motor stumm. Lausi empfahl... .

Die Sonne brannte schon lange nicht mehr so heiß, als Chris sich zur Total-OP entschloss. Wir standen seit vier Stunden hier und Chris schraubte wie ein Weltmeister. Der Tankstellenpächter kam vorbei und schaute wie die Sau ins Uhrwerk, als er das gähnende Loch im Motorraum und die zwei Motoren vorm Auto sah. Endlich konnte ich mitschrauben. Das half mir, die Fassung zu bewahren. Es war dunkel und zwischenzeitlich recht ruhig geworden als gegen acht am Abend die Stille an der Tanke vom Anspringen des Ersatzmotors jäh unterbrochen wurde. Wir - außer Chris vielleicht - konnten es kaum fassen. Ramona erwachte schlagartig aus ihrer Letargie und legte ein Lächeln von einem Ohr zum anderen auf ihr Gesicht. Chris empfahl mir eine kleine Probefahrt in die Stadt: "Aber nicht zu weit!". Ich war begeistert, endlich wieder mit Oma Helga zu fahren und betrachtete beim Stopp an einer Ampel die entgeisterten Blicke der Italiener um mich herum. Oma Helga tuckerte friedlich im Standgas und qualmte, was das Zeug hielt. Der Ersatz-Motor war während der Einlagerung in Öl eingelegt und jetzt drückte er das verbrannte Öl aus dem Auspuff in die offenen Fenster der anderen Autos. Als ich nach dem Weg aus der Stadt frage bekam ich prommt und erstaunlich deutlich die richtige Richtung verbal und mit Gesten gewiesen. Gegen neun Uhr fuhren wir endlich los. San Marino hatte sich leider erledigt. Um Mitternacht schlugen wir bei Reisekilometer 2327 auf einem Autobahnrastplatz in der Nähe von Modena-Nord die Zelte auf. Ein, zwei Bierchen, eine SMS an Beppo für das Reisetagebuch und schon lagen wir in den Federn. Es reichte für heute.

Am nächsten Morgen wurde ich gegen acht Uhr munter. Ich hatte länger geschlafen als ich dachte, dennoch fühlte ich mich ein wenig kreplig. Im Restaurant gab es keinen Filter- und auch keinen Nescafe. Dafür Espresso in einer Stärke, die den Sinn von Herzschrittmachern in Frage stellt. Dazu noch Hektik, Lärm und Waschräume, die mich in der Überzeugung bestärkten, dass Zähneputzen am Wasserkanister geil war und mein maskuliner Schweiß eigentlich eine gründliche Körperpflege überflüssig machte. Zur Not hatte ich noch Deo im Gepäck. Es ist neun Uhr, als wir aufbrachen und es waren noch gut 300 km bis zum Brenner. Himmel, wie die sich zogen. Die nahmen ja gar kein Ende. Aber die Autos liefen einwandfrei, ich war begeistert. Dafür enttäuschten der Brennerpass und die Europabrücke. Beides kein Vergleich zum Timmelsjoch. Gegen vier Uhr erreichten wir endlich Deutschland. Am ersten Rastplatz brauchte ich eine Pause. Ich hatte Hunger und mein rechtes Knie schmerzte. Aber ich bin ein Mann, ich ließ es mir nicht anmerken. Nur eine klitzkleine Bemerkung nebenbei, das war alles. Ein Reisbus hielt neben uns und 50 bayerische Rentner belagerten die Autos. Ich war froh, daß sie vor uns abfuhren. Wir hielten uns nicht lange auf und gaben Gas, was die Trabi`s hergaben - der Lockruf der Heimat verhallte nicht ungehört.

Dreispurig ging es in der Nähe des Rasthofes Irschenberg einen Hügel hinauf. Behende überholten wir grad einen LKW, als plötzlich die Warnblinker vom CJ 1 vor mir mich bis in die Knochen erschrecken. Bei Reisekilometer 2799 hieß es ran an den Straßenrand in einer Rechtskurve, einen Standstreifen gibt es hier nicht. Die Autobahn war voll, LKW`s bremsen knapp hinter uns, weil sie nicht ausweichen können. Warnwesten, Warndreieck, langsam hatte ich Übung darin. Die Mädel`s wurden hinter die Leitplanke geschickt. Herr Gott, war das ein Verkehr hier. Stellenweise war mir echt flau im Magen als ich Laster sah, die krampfhaft versuchten, den Trabi`s auszuweichen und die Spur nicht wechseln konnten, ohne ein Wohnmobil in die Mittelplanke zu schießen. Nach zehn Minuten konnten wir weiter. Chris sein Motor hatte sich soweit abgekühlt, daß er ohne Keilriemen die 200 m bis zum nächsten Parkplatz schaffte. Sofort hatte Chris wieder seine Montur an und demontierte die Motorverkleidung. Er lag noch nicht richtig unterm Auto, als die Autobahnpolizei im Zivilfahrzeug uns einen Besuch abstattete. Zwei liegengebliebene Trabi`s mit Dachzelten sprachen sich halt schnell rum. Helfen konnten uns die beiden Beamten nicht, sie gaben sie über Funk Entwarnung und zogen wieder von dannen. Zwanzig Minuten später taten wir es ihnen gleich.

Gegen elf erreichten wir auf der A9 die Abfahrt 32 in der Nähe von Hof. Hier verabschiedeten wir uns von Lausi. Und wir froren wie die Schneider. Eine A...kälte hier! Bis Jena fuhren wir noch zusammen weiter, dann verließ auch Chris die Autobahn. Er hatte da noch eine Verabredung bei McDonnald`s ... . Langsam aber sicher kamen wir Stück für Stück der Heimat näher, irgendwann war der erste Wegweiser mit "Mühlhausen" beschriftet. Reisekilometer 3357, es war viertel nach eins in der Nacht, als ich aus dem Trabant ausstieg. Meine Knochen schienen um Jahrzehnte gealtert und die reinste Versuchsplattform für jeden Orthopädie-Lehrling zu sein.

Epilog

Noch ein Bier und dann Schlafen oder Sterben, mir war es gleich. Dass ich solch eine Tour mit einem Trabant unterommen hatte, konnte ich kaum glauben. Von wegen, Trabantfahrer wären die Härtesten. Mein Knie sagte mir etwas Anderes. Und ein wenig später mein Gefühl auch: Oma Helga wurde ein Jahr später vollständig zerlegt, lackiert und fachmännisch wieder zusammengebaut. Nur aus zweierlei Gründen: Zum einen hatte ich mich in dieses Auto ´verliebt´, zum anderen wollte ich mit einem Mal mit ihm eine Tour an den Bosporus wagen... und auf dem Heimweg vielleicht mal kurz auf Korfu vorbei schauen.

Es geht also weiter. Mit 26 PS und einem Dachzelt obendrauf...